Ali Neander Interview

„Nicht schräg, sondern eigen“

Mit „...this one goes to eleven“ hat der Frankfurter Gitarren-Virtuose Ali Neander seine 2. Solo-CD veröffentlicht. Fusion-Jazz treffen auf rockige Hook-Lines; kurze Elektro-Experimente treffen auf virtuose Solo-Einlagen.

Ein Gitarren-Solo-Album, das kein „nur für Gitarristen-Album“ ist und beharrlich aufmerksame Ohren sucht. Ein Gitarristen-Gespräch das mehr um Melodien geht als um Licks und mehr um Emotionalität als um Technik.



Ali Neander feat. Hellmut Hattler:
"...this one goes to eleven"
Gery: Was mir an „...this one goes to eleven“ sofort auffiel, ist enorme Dran zur Melodie. Komplexe Melodien wechseln sich ab mit eingängigen Motiven – wie „erfindest“ Du das?
Ali: Um ein gewisses melodisches Gefühl zu entwickeln lohnt es sich, sich erst mal mit den Harmonien auseinander zu setzen. Ganz wichtig finde ich dabei, den emotionalen Gehalt von Akkordstruktur und Melodie im Auge zu behalten.


Reduce to the max

Dieser Spagat wird vor allem bei „Chord of Doom“ (Track 11) sehr deutlich hörbar.
Dieser Akkord um den es da geht ist natürlich mitleidslos atonal. Und ich hatte den Ehrgeiz aus diesem an sich „hässlichen Ding“ etwas „schönes“ rauszuholen. In dem Fall hat sich zum Beispiel Anhand des Akkords die Skala ergeben.

Welche Rollen spielen Skalen bei der Melodie-Entwicklung?
Was mir viel gebracht hat, war, etwa aus ganz normalen diatonischen Skalen einzelne Töne weg zu lassen. So kann eine Scale mit 5 Tönen entstehen, die dennoch keine „herkömmliche“ Pentatonik ist. Das klingt banal, öffnet aber neue Sound-Welten. 
Zum Beispiel führen die Jan-Hammer-Scale, die ohne Sexte und None auskommt (Intervalle: 1 – 3 – 4 – 5 – b7, Anm. d. Red.), oder die Scofield-Myxo-Scale ohne Sexte und Quart (Intervalle: 1 – 3 – 5 – 7 – 9) mit scheinbar harmlosen Veränderungen zu einer eigenen Ästhetik. Nicht schräg, sondern eigen!


Direkt ins Rückenmark

Wie übt man sich an sowas ran?
Am besten in kleinen Häppchen. Die Verknappung der Information dient dem Spiel. Anders gesagt: aus dem Großhirn ins Kleinhirn, besser noch direkt ins Rückenmark! Lange Studien ganzer Virtuosen-Solos sind dabei eher weniger effektiv.

Herausragend ist auf der CD die Zusammenarbeit mit Hellmut Hattler. Man erkennt förmlich jeden gemeinsam komponierten Song am "unbarmherzigen" Voranschreiten von Bass und Gitarre. Woher kommt dieser Drive?
Ich habe Hellmut vor über 8 Jahren bei einem Allstar-Projekt kennengelernt. Er ist nicht nur ein toller Instrumentalist, sondern ein starker Rundum-Musiker. Er gehört zweifelsohne zu den Leuten, die (musikalisch betrachtet, Anm. d. Red.) „keine Gefangenen machen“. Die „klassischen Hellmut-Stücke“ gehen deshalb ihren eigenen Weg: sehr emotional und mit klarer Botschaft!


Zeig was Du zu sagen hast

Zugleich sind viele technische Kabinett-Stückchen und virtuose Solos auf „... this one goes to eleven“ zu hören. Wie gelingt dieser Spagat?
Ich glaube es ist sehr wichtig, je länger man Musik macht, sich das Fan-Sein zu erhalten. Schließlich gilt es ja für einen selbst, in Kontakt mit dem Publikum zu treten, die Leute zu erreichen. Beim reinen Shreddern ist doch oft das Problem, dass diese Gitarristen spielen, was sie können – Dein Publikum erreichst Du vor allem, wenn Du beim Spielen zeigst, welche Message Du rüber bringen möchtest.

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