Aufs Griffbrett gehaucht
Legendäres Blues-Solo für Gitarre umgebaut
Für Gitarristen kann es spannend und inspirierend sein, auch mal ein Saxofon-Solo nachzuspielen. Immerhin verbindet beide Instrumente in Rock-, Pop- und Jazz-Musik häufig ähnliche musikalische Aufgaben.
Das Sax-Solo aus „Unchain my heart“ (Joe Cocker-Version) geht entsprechend über weite Strecken auch als typisches Gitarren-Rock-Solo durch: Am-Pentatonic, knackige Licks, enge Intervalle und ein schicker Lauf in der Mitte. Wenn da nicht das verzwickte Timing wäre.
Halt doch mal die Luft an!
Anders als auf dem Griffbrett (ent-)stehen Melodien am Saxofon in direkter Verbindung mit der Atmung. Zwar gibt es auch an der Gitarre klare Verknüpfungspunkte zwischen Atmen und Spielen – doch das hat im direkten Vergleich eher passiven Einfluss. Wenn Du am Sax die Luft anhältst kommt nämlich kein Ton raus.
Nah am Saxofon phrasiert: Die E-Gitarren-Version vom "Unchain my heart" Solo enthält viele Bendings |
Das ist an der Gitarre freilich anders. Und daher neigen GitarristInnen mitunter auch dazu ohne Punkt und Komma zu solieren, sozusagen atemlos. Das Solo zu „Unchain my heart“ zeigt, finde ich, recht schön, wie Atempausen die Melodien strukturiert: Kurze, schnelle Passagen wechseln sich direkt mit langen und langgezogenen Tönen ab (z.B. Takt 1 und 2, Takt 5 und 6).
Einfach Gitarren-typisch
Dabei sind die Einstiegspunkte der Melodie eigentlich immer am spannendsten. Der Moment in dem das Saxofon los trötet, folgt wegen des Atemvorgangs üblicherweise einem anderen Impuls als das beim Saiten anschlagen der Fall wäre. Das kann einen vor ganz schöne Herausforderungen stellen, den einen oder anderen Ton früher oder später als „gedacht“ zu spielen.
Die E-Gitarre-Version des Sax-Solos zu „Unchain my Heart“ habe ich deshalb rhythmisch stark vereinfacht und mitunter auf „Gitarristen typische“ Punkte zentriert. So ähnelt das Stück schnell einem rockigen Blues-Solo in der A-Moll-Pentatonik mit der Blue-Note. Mit dem Lagenwechsel in Takt 6 vom V. auf VIII. Bund sowie dem kurzen down-slide in Takt 8 hab ich kleine Anleihen aus der härteren Rock-Fraktion einfließen lassen.
Bendings „imitieren“ den Sound
Insgesamt lege ich bei dem Solo viel Wert auf die Bendings innerhalb der einzelnen Licks. Auf diese Weise kommt das Spielgefühl an der Gitarre der singenden Phrasierung auf dem Saxofon vielleicht noch am nächsten. Deshalb sind auch beinahe in jedem der 12-einhalb Takte große oder kleine Saitenzieher untergebracht.
Dabei sind die Bendings – auch wenn hier ziemlich deutlich „full“ oder „“1/2“ steht – immer in einer tonalen Grauzone „ganz knapp um den Zielton“ herum angesiedelt. „Viertelbendings“, hab ich mal bei einem Workshop aufgeschnappt – das triffts auch nicht so ganz finde ich. Doch wer sich vornimmt beim Spielen den rotzig-rockigen Sax-Klang zu imitieren, kommt der Sache wahrscheinlich instinktiv recht nahe.
Das letzte Wort hat hier also das Zusammenspielt zwischen Ohr und (Bending-)Finger. Vor allem an den langgezogenen Bendings am Schluss kann und muss man das klar üben. Je nach Spielweise und -gefühl können diese Töne schon mal ins Kippen geraten. Immerhin ist der 22. Bund auch nicht der gemütlichste Ort am Griffbrett für exzessives Bending – denn hier wird der Gegenzug der Saite schon wieder deutlich kräftiger.
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